Reparaturschaden nach Verkehrsunfall

Drivers after the car accident

Wird ein Kraftfahrzeug durch einen Verkehrsunfall beschädigt, kommen grundsätzlich zwei Varianten für die Schadensabrechnung in Betracht: Totalschaden oder Reparaturschaden.

Wann spricht man von einem Reparaturschaden?

Ein Reparaturschaden im rechtlichen Sinne liegt vor, wenn eine Reparatur der Unfallschäden wirtschaftlich sinnvoll ist – also kein wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten ist.  

Ein wirtschaftlicher Totalschaden ist nicht unbedingt mit einer totalen Beschädigung / Zerstörung des Fahrzeugs gleichzusetzen. Bei älteren Fahrzeugen kann bereits ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegen, wenn äußerlich z.B. lediglich ein Kratzer oder eine Beule sichtbar ist. Entscheidend ist das Verhältnis zwischen dem Wiederbeschaffungswert ( = Wert des Fahrzeugs in der Sekunde vor dem Unfall) und den voraussichtlichen Reparaturkosten. Bei Altfahrzeugen kann schon die Reparatur eines kleinen Schadens teurer sein als die Neuanschaffung eines gleichwertigen Fahrzeugs. 

Zwei Methoden für Schadensabrechnung

Abhängig davon, ob die Reparatur tatsächlich durchgeführt und abgerechnet wird, sind bei einem Reparaturschaden zwei Möglichkeiten der Abrechnung denkbar: entweder die Abrechnung der tatsächlich angefallenen Kosten oder Abrechnung der fiktiven Reparaturkosten laut Gutachten oder Kostenvoranschlag.

Abrechnung der tatsächlich entstandenen Reparaturkosten

Grundsätze

Der Geschädigte lässt den Unfallschaden in einer Werkstatt reparieren und reicht anschließend die Reparaturrechnung beim gegnerischen Haftpflichtversicherer ein.

Liegen die Reparaturkosten im zulässigen Rahmen und ist die Haftungsfrage geklärt, ersetzt der gegnerische Haftpflichtversicherer dem Geschädigten die vollen Kosten (inkl. Umsatzsteuer).

Wollen Sie als Geschädigter auf Nummer sicher gehen, sollten Sie vor der Reparatur ein Sachverständigengutachten einholen und die Werkstatt beauftragen, die Reparatur exakt nach den Vorgaben des Gutachters durchzuführen.

So ist sichergestellt, dass der Reparaturbetrieb keine unnötigen oder zu teuren Maßnahmen durchführt, die später nicht vom gegnerischen Versicherer erstattet werden.

Sonderfall 130%-Grenze

Grundsätzlich ist die Reparatur eines beschädigten Gegenstandes unwirtschaftlich, wenn die Reparaturkosten höher sind als der Wert der beschädigten Sache (in der Sekunde vor dem Schadenseintritt).

Bei beschädigten Kraftfahrzeugen machen die Gerichte jedoch eine Ausnahme.

Hier können die Kosten einer Reparatur auch dann vom Schädiger zu ersetzen sein, wenn sie bis zu 30% über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs liegen.

Der Haftpflichtversicherer hat die Reparaturkosten auch dann zu erstatten, wenn diese bis zu 30% über dem Wiederbeschaffungswert liegen und der Geschädigte das Fahrzeug entsprechend dem Gutachten fachgerecht reparieren lässt.

BGH, Urteil vom 2. Juni 2015 (VI ZR 387/14)

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BGH VI ZR 387/14 Abrechnung Reparaturkosten bis 130% des Wiederbeschaffungswerts
Reparatur 130-Prozent-Grenze BGH VI ZR 3[…]
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Abrechnung nach Gutachten – ohne tatsächliche Reparatur

Grundsätze

Bei dieser Variante holt der Geschädigte ein Sachverständigengutachten oder einen Kostenvoranschlag ein und macht beim gegnerischen Haftpflichtversicherer die voraussichtlichen Reparaturkosten (ohne Umsatzsteuer) geltend.

Die in den voraussichtlichen Reparaturkosten enthaltene Umsatzsteuer wird nicht erstattet, da sie nicht angefallen ist.

Problem Stundensatz-Höhe

Bei der fiktiven Abrechnung kommt es häufig zum Streit über die Höhe der (fiktiven) Stundensätze:

Die Haftpflichtversicherer argumentieren meist, dass die niedrigeren Stundensätze einer freien Werkstatt zugrunde gelegt werden müssten, da die Arbeiten dort genauso gut durchgeführt würden wie in einer markengebundenen Fachwerkstatt.

Nach der Rechtsprechung des BGH gilt hier Folgendes:

Der Geschädigte kann bei der fiktiven Schadensabrechnung grds. die Stundensätze einer Markenwerkstatt zugrundelegen.

Der Haftpflichtversicherer des Schädigers darf gegenüber dem Geschädigten bei einer fiktiven Abrechnung die Stundensätze einer günstigeren freien Werkstatt abrechnen, wenn er beweisen kann, dass die freie Werkstatt einer Markenwerkstatt gleichwertig ist.

Zudem muss der Haftpflichtversicherer ggfs. beweisen, dass es dem Geschädigten nicht unzumutbar ist, auf eine freie Werkstatt verwiesen zu werden. Unzumutbarkeit liegt u.a. dann vor, wenn die vom Haftpflichtversicherer benannte freie Werkstatt nur deshalb billiger ist, weil zwischen dem Versicherer und der Werkstatt Sonderkonditionen vereinbart wurden.

Bei einem bis zu 3 Jahre alten Fahrzeug, das bislang immer in einer Markenwerkstatt gewartet und repariert wurde, ist die Verweisung auf die Stundensätze einer freien Werkstatt ebenfalls unzumutbar.

BGH, Urteil vom 7. Februar 2017 (VI ZR 182/16)

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BGH VI ZR 182/16 Fiktive Abrechnung Reparaturkosten Stundensätze Fachwerkstatt
Fiktive Abrechnung Stundensätze BGH VI Z[…]
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Tipps vom Fachanwalt

TIPP: Wenn der gegnerische Versicherer bei einer fiktiven Abrechnung nach Gutachten (also ohne tatsächliche Reparatur) die Stundensätze massiv kürzt, sollten Sie den Unfallschaden einfach in einer Fachwerkstatt reparieren lassen.

Tatsächlich angefallene Reparaturkosten sind nämlich zu ersetzen – auch wenn Sie in einer teuren Fachwerkstatt reparieren lassen.

Außerdem muss die Versicherung dann auch noch Mietwagenkosten bzw. Nutzungsausfall für die Dauer der Reparatur bezahlen.